Heilende Meditation: Du bist das Placebo ??
Erstellt von r.ehlers am Sonntag 9. November 2014
Wenn einer am Ende seines Buches genau die richtigen Ratschläge gibt, um dem Leben eine neue gute Wendung zu geben, wenn es sogar plausibel erscheint, dass seine Vorschläge dem einen oder anderen den Weg zur Beseitigung nach allgemeiner Vorstellung unheilbarer Leiden aufzeigen, tue ich mich schwer damit, allzu stark zu kritisieren, dass die wissenschaftlichen Grundlagen für seine Erkenntnisse unzureichend sind.
In solch einer Situation stehe ich mal wieder nach der Lektüre des Bestsellers:
„Du Bist Das Placebo. Bewusstsein wird Materie“
Autor ist der amerikanische Wissenschaftler Dr. Joe Dispenza, der sich schon seit langem mit den Fragen beschäftigt wie Menschen sich selbst von chronischen und selbst tödlichen Krankheiten selbst heilen.
„Dr. Joe“
Dispenzas Buch ist in deutscher Sprach 2014 im Koha-Verlag erschienen. Sich das 400 Seiten starke Buch, das 21,95 € kostet, zuzulegen, macht m.E. aber für kaum jemand Sinn, weil der Schwerpunkt des Buches auf der – nicht überzeugenden – Darlegung der angeblich vorhandenen wissenschaftlichen Beweise liegt und Dispenzas Vorschläge zur Öffnung des Unbewussten durch Meditation, so richtig sie sind, in Wahrheit nur ein alter Hut sind.
Alle praktischen Ratschläge und Anleitungen finden sich bereits beim Entdecker des Autogenen Trainings, Professor Dr. J. H. Schultz aus Berlin: „Das autogene Training (konzentrative Selbstentspannung). Versuch einer klinisch-praktischen Darstellung“, Thieme, Leipzig 1932.
Immerhin sind Dispenzas Übungsvorschläge gut zu lesen und leicht nachzuvollziehen. Ich rate dazu, diese Meditation durch die Nutzung der Akupunkturmatte zu erleichtern, was ich selbst seit vielen Jahren mit Erfolg tue,
s.http://www.essenspausen.com/viele-wege-zum-serotonin/.
Den Versuch, die bekannten Mechanismen des unstreitig sehr wirksamen Placebo-Effekts, auf die innere Organisation von Bewusstem und Unbewusstem zu übertragen, damit man meinen soll, der Glaube an die Möglichkeit des eigenen Selbst wäre der Grund für die spektakuären Heilungen, kommt mir eher vor wie eine Schnapsidee. Er besinnt sich dazu der sehr simplen Schlussfogerung, dass beim Placebo die Wirkung auf dem Glauben an etwas außerhalb von uns beruhe, daher der Glaube an eine Heilung ohne Außenbezug eben der Glaube an die eigenen inneren Kräfte sei. Wir würden damit zu unserem eigenen Placebo.
In der theoretischen Grundlegung geht trotz großer Breite der Ausführungen logisch alles drunter und drüber. So schreibt Dispenza wörtlich (S. 201):
„Gedanken und Gefühle entstehen aus Erinnerungen an die Vergangenheit. Indem Sie bestimmte Gedanken und Gefühle hegen, erzeugen Sie mit der Zeit eine Einstellung . Eìne Einstellung ist ein Zyklus kurzfristiger Gedanken und Gefühle, die immer wieder erlebt werden. Einstellungen sind kurze Seinszustände. Eine Reihe von Einstellungen ergibt zusammen eine Überzeugung. Überzeugungen sind längere Seinszustönde und werden tendezielle ins Unterbewusstsein verschoben Mehrere Überzeugungen ergeben eine Wahrnehmung. Wahrnehmungen sind wesentlich beteiigt an Entscheidungen, Verhaltensweisen und Beziehungen, die wir uns aussuchen, sowie den Realitäten, die wir erschaffen.“
Wahrnehmungen entstehen aus Überzeugungen? Was ist denn das für eine Philosophie?
Gedanken und Gefühle entstehen aus Erinnerungen? Wie das denn?
Einstellungen werden ins Unterbewusstsein verschoben? Na wohin denn sonst? Sie müssen doch wieder greifbar sein, wenn man nach dem Schlaf wieder wach wird.
Wahrnehmungen führen zu Entscheidungen („sind beteiligt an..“)? Da sit doch schlicht Unsinn!
Dass die neuen Möglichkeiten, denen wir Placebos unsere Heilung verdanken, angeblich bereits in unserem Quantenfeld existieren, kommentiere ich hier nicht. Warum müssen alle neuen wissenschaftlichen Hypothesen und Theorien erst einmal für Phantasiereiche dezidierte Behauptungen ewiger Wahrheiten herhalten? Wenn es heute blitzt und donnert, glauben wir doch auch nicht mehr an den Donnergott!
Dispenza legt in seinem Buch eine Reihe sehr überzeugender Bilder „Vorher – Nachher“ vor, die sicher beweisen, dass die Meditation tatsächlich die Änderung der Gehirnströme von Beta-, zu Alpha-, Theta- und Deltawellen hin wesentlich verändert. Aber auch, wenn das in der Sache nicht neu ist, kann es die Motivation, sich nicht weiter im Leben treiben zu lassen, sonderndie Meditation zur regelmäßige inneren Sammlung und er Begegnung mit dem inneren Ich zu nutzen, sehr fördern.
Vielleicht bewirkt auch die oft etwas amerikanisch-reklamehaft-reißerische Darstellung Dispenzas, der sich auch gern in der dritten Person („Dr. Joe“) ansprechen lässt, beim einen oder anderen Leser eine verstärkte Zuwendung zum wichtigen Thema. Wie gesagt, Recht hat er mit allem außer seinem theoretischen Unterbau.
P.S.:
Auf neue Erkenntnisse zum Placebo-Effekt (dem richtigen, bei dem man an eine Medizinwirkung glaubt) brachte am Freitagabend der Sender Arte um 21.45 Uhr beim Thema Parkinson! In einer Studie hat man bei der Gruppe von Probanden, die ein Placebo erhielten, dieselben Verbesserungen festgestellt wie bei denen, die ein Verum erhielten. Was da wirklich abläuft, weilß niemand: Wird wirklich vom Körper mehr Dopamin produziert? Wird es nur vermehrt ausgeschüttet? Wird es – womit ich rechne- vermehrt von Serotonin freigegeben? Wie aber kommt es zur Ausschüttung (oder auch dem Aufbau) von Serotonin?
In der Sendung wurde auch auf die bekannte holländische Studie hingewiesen, bei der Verwachsungen im Unterleib bei Frauen in der einen Gruppe miniinvasiv operiert wurden. In der Parallelgruppe wurde nur das Endoskop in den Bauchgaum eingeführt und die Verwachsungen angeschaut aber nicht wegoperiert. In beiden Gruppen gingen die Schwemzen im gleichen Umfang zurück! Der ärztliche Berater der Sendung erwähnte Studien, die nahelegen, dass die Sache mit dem Placebo-Effekt sogar dann funktioniere, wenn der Patient weiß, dass er nur ein Placebo erhält. Die eigentliche Heilung soll dann durch die Wirkungen der Arzt-Patient-Beziehung erklärt werden. Na ja.
Der Glaube an die Allmacht der „Götter in Weiß“ hat vielleicht weniger in der Arroganz mancher Ärzte, sondern im Wunsch der Patienten seinen Sinn, daran glauben zu wollen. Schon Freud spach von dem Prinzip der Übertragung vonÜberzeugungen vom Arzt auf den Patienten. Kritik ist nach Lage der Dinge wohl auch mal kontraproduktiv. Dann ist das Verlangen nach der Complance des Patienten nicht eine Entwürdigung als eines Cotherapeuten in eigener Sache, sondern eine große Hilfe für ihn.